In diesem Kapitel soll zwischen assoziierten Erkrankungen, Begleiterkrankungen und späteren Komplikationen unterschieden werden.
Assoziierte Erkrankungen
Darunter werden Erkrankungen verstanden, die besonders häufig gemeinsam mit einer Zöliakie auftreten. Das sind vor allem die Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse und der Typ 1-Diabetes mellitus. Die glutenfreie Ernährung hat wenig Einfluss auf ihren Verlauf und sie müssen für sich entsprechend behandelt werden.
Hashimoto-Thyreoiditis
Diese Autoimmunerkrankung der Schilddrüse kommt besonders häufig bei bis zu 8% der Zöliakie-Patienten vor. Die entzündliche Aktivität in der Schilddrüse führt zu einer Unterfunktion, die mittels ergänzender Medikation mit einem Schilddrüsenhormon ausgeglichen werden muss. Typischerweise finden sich entsprechende Antikörper (TPO-Antikörper) im Blut der Betroffenen. Von Seiten der Schilddrüsenwerte sind erhöhte TSH- und erniedrigte fT3- und fT4-Werte zu finden.
Morbus Basedow
Hierbei handelt es sich ebenfalls um eine autoimmune Erkrankung der Schilddrüse. Bei dieser besteht üblicherweise eine Überfunktion des Organs, die eine entsprechende hemmende Behandlung notwendig macht. Hier werden meist TRAK-Antikörper nachgewiesen, aber auch in vielen Fällen TPO-Antikörper. Bei der Bestimmung der Schilddrüsenwerte findet sich ein deutlich erniedrigtes TSH bei erhöhtem fT3 und fT4.
Diabetes mellitus Typ 1
Diabetes mellitus ist eine lebenslange Stoffwechselstörung, bei der der Körper entweder zu wenig oder kein Insulin mehr bildet (Typ-1-Diabetes, früher als jugendlicher Diabetes bezeichnet) oder bei der das Insulin zu wenig wirkt (Typ-2-Diabetes, früher: Altersdiabetes). In Deutschland sind heute mindestens 5 % der Bevölkerung von Diabetes betroffen; allerdings haben davon nur 10 % einen Typ-1-Diabetes.
Bei Typ-1-Diabetikern ist die Häufigkeit der zusätzlich an Zöliakie erkrankten Personen deutlich höher als in der Gesamtbevölkerung: ca. 5 bis 7% aller Typ-1-Diabetiker haben auch Zöliakie. Dass beide Erkrankungen so oft miteinander auftreten, liegt an der genetischen Grundlage. Beiden Krankheiten liegen die gleichen erblichen Voraussetzungen zu Grunde. Dabei wird der Diabetes meist vor der Zöliakie festgestellt und ist auf Grund der typischen Symptome meist rasch zu diagnostizieren. Die Zöliakie verursacht dagegen oft eher milde bis keine Symptome, so dass die Zöliakie oftmals erst mit großer Verzögerung erkannt wird. In vielen Kliniken und Ambulanzen werden Typ-1-Diabetiker inzwischen regelmäßig auf Zöliakie-Antikörper untersucht (Screening). Sehr viel seltener wird erst die Zöliakie und dann der Typ-1-Diabetes festgestellt.
Auch wenn die Belastung für die Patienten durch die Kombination beider Erkrankungen deutlich erhöht ist, sollte dennoch gezielt nach der Zöliakie gesucht werden. Die frühzeitige Erfassung und Umstellung auf glutenfreie Ernährung hat Auswirkungen auf den Zuckerstoffwechsel und kann damit negativen Effekten durch eine schlechte Einstellung des Diabetes und der Entwicklung von Schäden an Nieren, Netzhaut und Nerven entgegenwirken.
Mikroskopische Kolitis
Diese Entzündung im Dickdarm tritt ebenfalls relativ häufig (bis zu 5%) bei Zöliakie-Patienten auf. Es sind überwiegend Frauen ab dem mittleren Lebensalter betroffen. Es gibt zwei Unterformen: 1. Lymphatische Kolitis und 2. Kollagene Kolitis. Typischerweise bestehen wässrige Durchfälle, die sich oftmals in der Nacht bemerkbar machen. Diese können so ausgeprägt sein, dass der Alltag sehr eingeschränkt ist. Bauchschmerzen, Übelkeit oder Gewichtsverlust können vorkommen. Die Diagnose kann nur mittels Biopsien aus dem Dickdarm bei einer entsprechenden Spiegelung (Koloskopie) gestellt werden. Bei der Inspektion werden keine besonderen Auffälligkeiten der Schleimhaut bemerkt. Die Behandlung erfolgt in den meisten Fällen mit einem Kortisonpräparat, das hauptsächlich im Darm wirkt und wenig Nebenwirkungen auf den übrigen Körper hat. Damit klingen die Durchfälle meistens sehr schnell ab. Bei Absetzen des Medikaments treten diese leider oftmals wieder auf, so dass eine geringe Dauermedikation notwendig ist.
Begleiterkrankungen
In diesem Kapitel sollen Erkrankungen besprochen werden, die in direktem ursächlichen Zusammenhang mit der Zöliakie stehen. Das heißt, sie werden durch die Grunderkrankung mit ausgelöst und bessern sich auch in den meisten Fällen unter der glutenfreien Ernährung.
Laktoseintoleranz (Milchzucker-Unverträglichkeit)
Die Unverträglichkeit gegenüber Milchzucker zählt zu den häufigsten Begleiterkrankungen. Die geschädigte Schleimhaut bildet bei vielen Zöliakiepatienten weniger Enzym (Laktase), das den Milchzucker für die Aufnahme durch die Schleimhaut spalten muss. Der im Darm verbleibende Zucker führt zu Beschwerden wie Blähungen, Durchfall und Bauchschmerzen. Ein Wasserstoff-(H2-) Atemtest kann die Diagnose eindeutig feststellen. Eine laktosefreie Ernährung ist bei entsprechenden Beschwerden nach dem Verzehr von Milchprodukten sinnvoll. Bei den meisten Zöliakie-Patienten erholt sich die Enzymproduktion mit Regeneration der Schleimhaut wieder, so dass Laktose wieder vertragen wird.
Fruktose-Malabsorption (Fruchtzucker-Unverträglichkeit)
Bei dieser Unverträglichkeit kann der Einfachzucker Fruktose (= Fruchtzucker) nicht resorbiert werden, da ein Mangel an dem dafür notwendigen Transporter in der Schleimhaut besteht. Die Symptome sind vergleichbar mit der Laktoseintoleranz: häufig kommt es zu Blähungen, Durchfall, Bauchschmerzen, aber auch Übelkeit kann entstehen. Diagnostisch kann ebenfalls ein Wasserstoff-(H2-) Atemtest eingesetzt werden. Treten bei diesem Test auch Beschwerden auf, ist die Diagnose einer therapiebedürftigen Unverträglichkeit gesichert. Therapeutisch wird zunächst eine ca.2-wöchige striktere Diät mit deutlicher Reduktion der Fruktose empfohlen, um zunächst Beschwerdefreiheit zu erzielen. Danach wird die Fruktosemenge wieder langsam gesteigert und den Beschwerden angepasst.
Weitere Informationen
Pankreasinsuffizienz (Unterfunktion der Bauchspeicheldrüse)
Die gestörten Verdauungsvorgänge führen bei einigen Zöliakie-Betroffenen zu einer Fehlfunktion in der Signalkette, die die Bauchspeicheldrüse zur Ausschüttung der notwendigen Verdauungsenzyme anregt. Mit der Umstellung auf die glutenfreie Kost erholt sich das nicht immer sofort, sondern kann zu anhaltenden Beschwerden führen. Im Vordergrund stehen hier Durchfälle, fettige Stühle, Blähungen, Bauchschmerzen und Völlegefühl. Bei Verdacht auf eine Bauchspeicheldrüsenunterfunktion kann der Stuhl auf die Pankreaselastase untersucht werden. Findet man erniedrigte Werte, wäre eine Therapie mit entsprechenden Enzympräparaten angezeigt, um die Verdauungsfunktion zu verbessern. Mit der Zeit erholt sich die eigene Funktion unter glutenfreier Ernährung meist wieder und die Medikamente können abgesetzt werden.
Syndrom der bakteriellen Fehlbesiedlung des Dünndarms (SIBO)
Die Darmflora des Menschen sitzt zum überwiegenden Teil im Dickdarm. Der Dünndarm ist im Vergleich relativ spärlich mit Bakterien besiedelt. Jedoch können sich z.B. durch Darm-Operationen oder auch gestörte Verdauungsvorgänge die Bakterien im Dünndarm so vermehren, dass sie zu Beschwerden und damit dem Krankheitsbild der Fehlbesiedlung des Dünndarms führen.
Durchfälle, Blähungen, starkes Rumoren im Darm mit lauten Darmgeräuschen, Bauchschmerzen und –krämpfe sind mögliche Zeichen dieser Krankheit. Über einen Atemtest wie bei einer Laktose- oder Fruktose-Unverträglichkeit kann versucht werden, die Diagnose zu stellen. Dabei werden Glukose und Laktulose (nicht verwechseln mit Laktose!) als Zuckerlösungen verwendet. Eine Stuhluntersuchung der Darmflora ist wenig aussagekräftig, da hier überwiegend die Keime aus dem Dickdarm nachgewiesen werden. Therapeutisch kann eine antibiotische Therapie die Bakterien zunächst beseitigen. Eine begleitende Ernährungsumstellung muss zusätzlich erfolgen, um das Widerauftreten zu hindern.
Komplikationen /Spätfolgen
Osteoporose
Die Minderung der Knochendichte (Osteopenie) bzw. die Entwicklung einer Osteoporose mit einem schweren Rückgang der Knochendichte und einer erhöhten Gefahr für Knochenbrüche sind besonders gefürchtete Spätfolgen einer lange unbehandelten Zöliakie. Bewegungsmangel, Rauchen, übermäßiger Alkoholkonsum und starker Gewichtsverlust bzw. Untergewicht tragen ebenso wie eine familiäre Veranlagung und bestimmte Medikamente (z.B. höher dosiertes Kortison) als zusätzliche Risikofaktoren bei. In der Leitlinie zur Osteoporose wurde die Zöliakie auch als eigenständiger Risikofaktor aufgeführt. Vielfach bestehen keine besonderen Beschwerden, so dass das Problem am Knochen oftmals erst erkannt wird, wenn ein Knochenbruch aufgetreten ist. Schmerzen an Gelenken oder Knochen sollten aber auch in diese Richtung denken lassen.
Zur Bestimmung der Knochendichte hat sich die DEXA (dual energy X-ray absorptiometry)-Untersuchung bewährt. Diese Röntgenuntersuchung gilt als Goldstandard und kann unter bestimmten Voraussetzungen auch als Kassenleistung abgerechnet werden. Andere Methoden sind weniger zuverlässig in der Aussage und können nicht über die gesetzlichen Krankenkassen erstattet werden.
Seit 2014 gelten für die Erstattung der Knochendichtemessung neue Regelungen. Nun kann die DEXA-Untersuchung (und nur diese!) abgerechnet werden, wenn auf der Überweisung eine Behandlungsabsicht mit Medikamenten vermerkt ist. Es müssen keine Knochenbrüche vorher aufgetreten sein, sondern ein begründeter Verdacht auf eine Osteoporose, die der Arzt dann eben auch behandeln möchte, ist ausreichend. Weitere Informationen finden Sie auch auf den Internetseiten
Im Übrigen ist die Untersuchung mit ca. 50€ relativ günstig, falls die Kosten nicht von der Krankenkassen getragen werden, aber man doch eine Untersuchung vornehmen lassen möchte.
In der neuesten Version der deutschen Zöliakie-Leitlinie wird ebenfalls ab dem 50. Lebensjahr zur Untersuchung der Knochendichte geraten. Falls Risikofaktoren vorliegen, auch bei jüngeren Patienten. In Studien hat sich gezeigt, dass sich in den ersten beiden Jahren nach der Ernährungsumstellung sehr viel Besserung einstellen kann. Daher ist es sinnvoll, die DEXA-Untersuchung erst nach 2 Jahren glutenfreier Ernährung durchführen zu lassen, wenn keine besonderen Risikofaktoren bestehen.
Bei vielen Zöliakiepatienten besteht auch ein Vitamin D-Mangel, der gleichzeitig behandelt und ausgeglichen werden muss. Nur durch eine adäquate Vitamin D- und Calciumzufuhr können genügend Mineralsalze in den Knochen eingelagert und Substanz aufgebaut werden. Zusätzlich ist eine Knochen-belastende Bewegung notwendig, um dem Knochen die Impulse zur Regeneration zu geben.
Refraktäre Zöliakie
Definitionsgemäß spricht man von einer refraktären Zöliakie (RCD), wenn trotz glutenfreier Diät (GFD) über ein Jahr dauerhaft eine Zottenverkürzung nachzuweisen ist. Oder wenn sich diese nach zwischenzeitlicher Besserung unter glutenfreier Ernährung erneut einstellt. Dazu gehört auch eine daraus folgende Malabsorption, also mangelnde Nährstoffaufnahme, Die refraktäre Zöliakie zählt zu den sehr seltenen Komplikationen einer Zöliakie und kommt nur bei ungefähr 0,05 bis 1,5% der Betroffenen vor. Frauen sind – wie bei der unkomplizierten Zöliakie – häufiger betroffen. Der Erkrankungsgipfel liegt zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr, nur sehr vereinzelt wird das Krankheitsbild unter dem 30.Lebensjahr beschrieben. Man unterscheidet zwei Typen mit unterschiedlichen Verläufen: RCD Typ I und RCD Typ II. Die Diagnostik und Therapie sollten auf Grund der Komplexität von spezialisierten Zentren durchgeführt werden.
Bevor man eine solche Diagnose in den Raum stellt, ist der Ausschluss von Diätfehlern oder anderen Krankheitsbildern, die eine ähnliche Symptomatik und Schleimhautveränderung auslösen können, wichtig.
Tumorentstehung
Viele Zöliakiepatienten haben besondere Angst vor der Entwicklung einer bösartigen Erkrankung durch die Zöliakie. Dabei wird in Studien ein anfänglich bei Diagnosestellung erhöhtes Risiko für bösartige Tumore, vor allem entlang des Magen-Darm-Traktes beschrieben, das sich aber unter der glutenfreien Ernährung in den ersten 5 Jahren dem der übrigen Bevölkerung angleicht. Das scheint für so genannten Non-Hodgkin Lymphome, und dabei vor allem nicht für das EATL (= Enteropathie-assoziiertes T-Zell-Lymphom) mit einem 3,5 bis 15-fach erhöhten Risiko nicht in gleichem Maße zuzutreffen. Es ist aber auch hier zu vermuten, dass eine Verbesserung der Schleimhautveränderungen und damit die Einhaltung einer GFD mit einer Reduktion des Risikos einhergeht. Das massiv erhöhte Risiko (> 70-fach erhöht), das vor einigen Jahren in einer Studie gezeigt wurde, konnte in nachfolgenden Untersuchungen nicht bestätigt werden.